TextilarbeiterInnenstreik in Solo

Bericht, Interview
F: Wie lang müßt Ihr denn arbeiten?
A: Wir arbeiten 7 Std. am Tag, 42 die Woche.
F: Und wie lange braucht Ihr zur Arbeit?
A: Naja, die meisten leben im Umkreis von 10km und fahren meist mit dem Fahrrad, manche mit dem Motorrad.
F: Wieviele Menschen müssen von dem Lohn leben, den Ihr verdient?
A: Mindestens 4, oft viel mehr. Es reicht nicht mal zum Essen, wenn ein Kilo Reis (beras) 3500Rp per Kilogramm kostet. Eine Familie braucht 10000 Rp pro Tag fürs Essen allein. Zum Teil arbeiten beide Eltern.
F: Wofür habt Ihr gestreikt?
A: Die Forderungen des ersten Streiks waren: Lohn für 30 Tage im Monat statt bisher 26, denn wir müssen ja auch 30 Tage lang essen. Dann die Erhöhung des Essensgeld und der Nachtschichtzulage. 4 Tage mehr Geld waren aber die Hauptsache.
F: Wann hat der Streik begonnen?
A: Am 29.6. Wir haben 10 Tage gestreikt, mit vielen Aktionen. Die Fabrik war geschlossen. Der Streik war ein Erfolg, dachten wir.
Im Bezirk Solo gibt es zehn Textilfabriken mit insgesamt etwa 35000 ArbeiterInnen. PT Tyfountex ist die drittgrößte und gehört einer Firma aus HongKong. Alle zahlen etwa das gleiche: etwa 113 000 Rp bis 125750 Rp, weniger als der UMR (Upah minimum regional), den regionalen Mindestlohn von derzeit 130000Rp im Monat. Zu diesem Lohn kommen üblicherweise noch Essenszulage und Prämien.
F: Und der zweite Streik?A: Der hat am 3.8. begonnen. Wir hatten festgestellt, daß die Firma bei gesetzlicher Abwesenheit (Krankheit z.B.) nicht den vollen Lohn weiterzahlte. In diesem Punkt hat die Firma, obwohl gesetzlich geregelt (Ministerbeschluß 3/97) den geraden Weg verlassen. Ausserdem verlangten wir die Angleichung der Löhne an den neuen Mindestlohn vom 1.8.
F: Wie ist denn die Fabrik organisiert? Wieviele Leute arbeiten denn in einem Raum?
A:
Es gibt sechs Abteilungen: Spinnerei, Weberei, Färberei, Kleiderherstellung ("Garment"), Näherei und Zubehör. In jeder Abteilungs gibt es vier Befehlsstufen bis runter zum Vorarbeiter. Bei Tyfountex arbeiten 8000, etwa 80% davon sind Frauen.
Stellenanzeige von Tyfountex in der Jakarta Post am 26.9.98, in der die Firma für Solo einen Färbereitechniker sucht. Die Firma hatte gedroht, die Fabrik zu schließen. War wohl nicht so ernst gemeint.
F: Wie habt Ihr denn den Streik organisiert? Ich bin selber Fabrikarbeiter, ich weiß, daß unter normalen Umständen die ArbeiterInnen ziemlich dumm sein können...
A (ziemlich vielstimmig): Ja, ja (und Gelächter)
F:... und manchmal merken sie dann doch, daß sie etwas tun müssen. Wie war das denn bei Euch?
A: Ja, ja. Bei uns waren es zuerst die StudentInnen. Die wissen Bescheid. Die haben die Idee vom Streik gebracht. Die haben uns vom Mindestlohn berichtet und von unseren Rechten. Wir haben dann zusammen mit ihnen das KRKB aufgebaut. Der SPSI (offizielle Staatsgewerkschaft) hat bei Problemen gar nichts gemacht. Er hat immer nur für die Firma gearbeitet.
F: Wie ist denn das KRKB organisiert?
A: Wir machen große Versammlungen, wo diskutiert und über die Leitung entschieden wird, bzw. sie demokratisch gewaehlt gewählt wird.
F: Wie oft?
A: Oft. Immer wenn es Probleme gibt.
F: Von was lebt Ihr jetzt?
A: Ha, von den Eltern; viele haben Nebentätigkeiten, kleines Lädchen oder so, Reparaturen, Heimarbeit. Essen (nur Reis!) gibts hier im "Posten". Den Reis bringen bei Versammlungen KollegInnen mit, die was übrig haben. Also so kommen wir durch. Was aber mit den Kindern? Wenn sie zur Schule müssen? Einschulung allein kostet 30000Rp für die Grundschule und 150000 für die Mittelschule und 3000 bzw. 4000Rp pro Monat. Dazu die Uniformen. Wir können sie nicht zur Schule schicken.
F: Wie lange noch?
A: Weiß nicht. Wir können so lange, bis wir uns durchsetzen. Ich denke, das dauert nicht mehr lange, wir sind im Recht. Im Moment, und das ist normalerweise nicht so, ist die Regierung auf unserer Seite.
F: Die Fabrik arbeitet. Macht ihr Aktionen vor der Fabrik?
A: Nein.
A: Es gibt natürlich viele Beziehungen und Verbindungen in die Fabrik. Den KollegInnen dort gehts nicht gut. Erstens weil sie uns verraten haben und zweitens, weil es dort nicht besser geworden ist. Ja, wir haben grad letzte Woche eine Aktion vor der Fabrik gemacht.
F: Die Firma hat gedroht, die Fabrik ganz zu schliessen und in HongKong eine neue zu bauen. Das kommt mir aus Deutschland bekannt vor. Globalisasi auch in Indonesien?
A (lauter Protest): Nein. Zur Zeit sind die indonesischen ArbeiterInnen die billigsten der Welt.

Quelle: eig. Korr., Mitte September 98

Anlaß für den zweiten Streik war nach Zeitungsberichten aber (das erwähnen die KollegInnen in diesem Moment nicht) die Entlassung eines Leitungsmitglieds des KRKB, Komite Reformasi Kaum Buruh, Komitee der Arbeiterklasse für Reform, in dem die jetzt Ausgesperrten organisiert sind. Dieses Komitee hat zusammen mit dem DRMS, Dewan Reformasi Mahasiswa Surokarta, Studentenrat für Reform, Surokarta (Solo), die Streiks organisiert. Der Entlassene hatte eine mündliche Erlaubnis seines Vorarbeiters, zuhause zu bleiben.Die ArbeiterInnen von Tyfountex haben die Streiks zusammen begonnen. Die Fabrik war zu. Doch schon während des ersten Streiks wurde ein Gegenkomitee mit dem bezeichnenden Namen Komite Pencegah Pengangguran, Komitee zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, aufgebaut, das schon gegen Ende des ersten Streiks 1500 Leute mobilisieren konnte. Beim zweiten Streik sollen nach Zeitungsberichten ca 1000 Kollegen weitergearbeitet haben, der Streik ist dann nach und nach abgebröckelt. Als die Firma die Entlassung androhte, blieben 1727 KollegInnen hart. Über diesen Punkt reden die KollegInnen nicht (gerne). Sie haben eine Fahrt von 800 von ihnen nach Jakarta organisiert, wo ihnen abermals juristische Rückendeckung, auch vom Arbeitsminister, gegeben wurde. Die Firma müßte eigentlich alle weiterbeschäftigen und ihnen sogar den entgangenen Lohn nachzahlen. Sie weigert sich aber und hat inzwischen 2000 Neue eingestellt.Inzwischen machen die ausgesperrten KollegInnen weitere Aktionen, vor anderen Fabriken, aber auch vor Tyfountex,
Aktion vor einer anderen Textilfabrik in Solo am 15.9. Organisiert hat die Aktion das KRKB. Außer StudentInnen nehmen vor allem Tyfountexarbeiterinnen daran teil.
"PT Batik Keris Danleris unterdrückt die Arbeitersolidarität" steht auf dem Transparent. Außerdem wird die Parole gerufen: "Buruh bersatu tak bisa dikalahkan" - "Arbeiter vereint können nicht geschlagen werden."


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25. April 1999