Solidaritätsaktion der Front Anti Fasis (F.A.F., Antifaschistische Front) und der Persatuan
Skinhead Anti Fasis (P.S.A.F., Vereinigung antifaschistischer Skinheads) mit dem Kampf der
ArbeiterInnen von PT Matahari Sentosa I in Bandung, Indonesien.
Bei PT Matahari Sentosa I werden Reißverschlüsse für den Export produziert. Wie in allen
Fabriken in dieser kapitalistischen Welt nehmen die ArbeiterInnen immer die schlechtere
Position ein. Die ArbeiterInnen bei PT Matahari Sentosa I kriegen niedrige Löhne, haben
schlechte Arbeitsbedingungen, keine Organisationsfreiheit, erleben Eingreifen des Militärs,
sexuelle Belästigungen und viele andere Probleme mehr. Angesichts all dessen haben die
ArbeiterInnen beschlossen zu kämpfen und ihre grundlegenden Rechte zu fordern.
3. bis 9. Februar 2000: Der erste Streik
Etwa 300 ArbeiterInnen aus der Fabrik organisierten einen einwöchigen totalen Streik. Niemand arbeitete und die Produktion war völlig lahmgelegt. Am 8. Februar fuhren 350 ArbeiterInnen zum DPRD I (Regionalparlament), um diesen zu bitten, ein Treffen zwischen Fabrikbesitzer, den ArbeiterInnen und Vertretern des Regionalparlamentes zu arrangieren. Der Rat versprach ein solches Treffen für den Samstag, den 12. Februar. Weil die ArbeiterInnen schon wußten, daß sie von Politikern immer belogen werden, glaubten sie ihnen nicht und planten eine Demonstration beim Parlament in Jakarta.
10. bis 12. Februar: Beschwerde führen beim Parlament
In der Zeit vor der Fahrt nach Jakarta versuchte der Fabrikbesitzer, die ArbeiterInnen
einzuschüchtern und drohte jeder/jedem Streikenden mit Entlassung. Aber das brachte die
ArbeiterInnen nicht dazu, aufzugeben - etwa 350 fuhren nach Jakarta. Auf ihrer Fahrt wurden
sie von vielen Anarchisten, Punks und Redskins (von F.A.F. und P.S.A.F.) begleitet. Wir
fuhren in drei Bussen direkt zum Parlamentsgebäude.
Als wir ankamen, wurden gleich Reden gehalten, wir machten unsere Forderungen deutlich
und baten um ein Treffen mit den Abgeordneten.
Nach zwei Stunden Wartezeit vor dem Gebäude erlaubten uns die Parlamentarier
reinzukommen. Also gingen wir alle rein. Wir wurden von der Kommission VI empfangen
(ein Ausschuß des Parlaments mit Vertretern von Parteien wie PDI-P, PKB, PPP und
Vertretern des SPSI, ein rechter Gewerkschaftsverband, der vom Staat legalisiert ist und war,
und der natürlich immer die Interessen der Bosse schützt). Die Abgeordneten stimmten einem
Treffen zu und die ArbeiterInnen baten sie, den Fabrikbesitzer anzurufen, damit er so schnell
wie möglich nach Jakarta kommt. Aber der Boss hatte (natürlich) kein Interesse an so einem
Treffen und überzeugte die Kommission, das Treffen am Montag abzuhalten. Und die
Kommission gehorchte dem Interesse des Boss und sagte, das Treffen würde am Montag,
den 14. Februar stattfinden. Aber die ArbeiterInnen wollten das Treffen am 11. Februar, also
beschlossen wir zu bleiben. Aber die Parlamentarier erfüllten den Wunsch der ArbeiterInnen nicht.
Die Umstände für die ArbeiterInnen waren wirklich hart; ein paar waren krank, andere
erschöpft nach dem vorangegangen Streik, also beschlossen wir, nach Bandung
zurückzukehren und bis Montag den Streik fortzusetzen.
Zurück in Bandung gingen 300 ArbeiterInnen zum Regionalparlament, um dessen
Versprechen einzufordern. Aber der Rat hielt sein Versprechen nicht, im Gegenteil. Sie riefen
das Militär, um uns brutal rauswerfen zu lassen. Angesichts der Gewalt beschlossen wir, den
Schauplatz zu verlassen und zogen zu einer der Universitäten. Dort hielten wir ein spontanes
Meeting ab, um unsere nächsten Aktionen zu planen. Bei diesem Treffen wurde auch eine
neue Gewerkschaft gegründet, die Serikat Pekerja Buruh Matahari (Gewerkschaft der
ArbeiterInnen von Matahari).
14. Februar: Das Parlament betrügt uns (wieder)
Weil viele von uns sehr müde waren und es auch schwierig war, einen Bus für die Fahrt nach
Jakarta aufzutreiben, fuhren schließlich nur 70 ArbeiterInnen und einige von F.A.F. und
P.S.A.F. mit.
Als wir am Parlament ankamen, wurden wir wieder von der Kommission VI empfangen. Und
tatsächlich war der Fabrikbesitzer da. Nach langen und langweiligen Verhandlungen auf dem
Treffen war das Ergebnis schlecht für uns. Die Abgeordneten und der Fabrikbesitzer
forderten die ArbeiterInnen auf, an die Arbeit zurückzukehren oder alle würden entlassen.
Die Parlamentarier stehen nie auf unserer Seite, sie ignorieren die Forderungen der Leute
einfach immer.
Das war eine schlimme Sache für uns. Einige der Frauen brachen zusammen, sie waren
erschöpft und zutiefst enttäuscht. Als die Abgeordneten die Frauen kollabieren sahen, taten
sie immer noch nichts, um zu helfen. Sie ließen uns allein und forderten uns auf, das
Gebäude zu verlassen, sonst würden wir vom Militär rausgeschmissen. Also verließen wir
das Gebäude mit unseren ohnmächtigen Genossinnen.
Müde, enttäuscht und richtig wütend planten wir im Bus die Fabrik am nächsten Tag zu
besetzen - bis zur Durchsetzung unserer Forderungen.
15. Februar: Die Besetzung
In Bandung angekommen fingen wir sofort an, die Besetzung zu organisieren. Wir
mobilisierten soviele GenossInnen wie möglich für die Aktion, die am nächsten Morgen
beginnen sollte.
Morgens, 5 Uhr, besetzten über 500 ArbeiterInnen zusammen mit Anarchisten, Punks und
Redskins von F.A.F. und P.S.A.F. die Fabrik. Einige Punks und Redskins schlossen das Tor
und blieben dort für den Fall, daß das Militär uns angreifen sollte. Sie luden alle Passanten
ein, an der Besetzung teilzunehmen und sich solidarisch zu zeigen. Eine Menge Flugblätter
mit unseren Forderungen wurden rund um die Fabrik verteilt und immer mehr Leute
schlossen sich der Aktion an.
In der Fabrik wurden Reden und politische Vorträge gehalten. Wir sangen, diskutierten,
teilten unsere Aktivitäten, unsere Kultur, unsere Ideen, unsere Visionen und unsere Überzeugungen.
Um 11 Uhr kam ein LKW mit schwerbewaffneten Soldaten und umzingelte zusammen mit
einer Menge Zivilbullen die Fabrik. Sie hatten auch Schläger angeheuert, die uns angreifen
sollten. Wir versuchten, die Aktion so gut wie möglich zu verteidigen.
Bis in die Nacht mußten wir uns gegen die angeheuerten Schläger und gegen die Zivilen
verteidigen, die versuchten, einzudringen.
16. Februar 2000: Endlich, der Sieg!
Am Morgen kam der Boss zu unseren Wachen und fragte, ob er hereinkommen dürfe. Wir
ließen ihn rein.
Er sagte, er stimme einer Diskussion mit den ArbeiterInnen zu. Also suchten wir 15
ArbeiterInnen als unsere SprecherInnen aus. Die Diskussion fand in einem kleinen Raum
innerhalb der Fabrik statt und einige schwerbewaffnete Soldaten umringten den Raum.
Während der Diskussion wurden wir von den Schlägern weiterhin brutal bedroht. Sie
versuchten härter als am Tag zuvor, uns anzugreifen. Zu einigen von uns, die nicht wie
ArbeiterInnen aussahen, (z.B. Punks), sagten sie, sie würden sie festnehmen, wenn sie die
Fabrik nicht verlassen würden und beschimpften sie als Provokateure. Wir wollten die Fabrik
aber nicht verlassen, dies war ein Kampf der ArbeiterInnen, ein Kampf des Volkes und das
alles war ein Kampf. Solange wir unter der gleichen Unterdrückung leiden, gibt es keine
Unterschiede zwischen ArbeiterInnen, Punks, Bauern, Redskins oder irgendeiner anderen
Gruppe. Wir sollten alle im gleichen Team kämpfen. Niemand verließ also die Fabrik.
An der Verteidigungslinie wurde eine Frau von einem Schläger auf einem Motorrad
angegriffen. Der Schläger trat sie, aber einer unserer Wachen rettete sie, bevor sich der
Angriff wiederholte.
Einige Stunden später kamen der Boss und unsere 15 KollegInnen aus der Diskussion. Und
einer der Genossen rief uns zur Bekanntgabe des Ergebnisses. Er las uns das Ergebnis laut
vor und wir reagierten mit einem Lied, einem revolutionären Arbeiterlied.
Nachdem wir uns zugejubelt hatten, feierten wir mit einem spontanen Marsch durch die
Straßen. Wir verbreiteten die Nachricht über den Sieg an jeden, den wir unterwegs trafen.
Wir demonstrierten bis in die Nacht. Wir alle waren müde, einige verletzt, aber am Ende
waren wir alle glücklich - diese Schlacht hatten wir gewonnen.
Dieser Sieg ist nur ein kleiner Sieg. Wir müssen weiter das System bekämpfen, das uns Tag
für Tag unterdrückt. Wir können gewinnen, wenn wir zusammenstehen, Hand in Hand,
zurückschlagen und uns unser Leben zurückerobern.
Solidarität ist unsere Stärke. Buruh bersatu tak bisa dikalahkan - Arbeiter vereint können nicht besiegt werden.
Front Anti Fasis, Bandung, Indonesia
(Siehe auch die Meldungen aus Asien Aktuell 1552 und 999)
Eine Webseite von WELT IN UMWÄLZUNG Mannheim-Ludwigshafen
9. März 2000